Im Rahmen der diesjährigen Messe INTERBOOT wurde Kerstin Fritz zur neuen Beauftragten für die Prävention vor Gewalt und Missbrauch beim Segelverband Baden-Württemberg ernannt. Mit einem Interviews stellen wir sie hier unseren Mitgliedsvereinen vor. Kerstin Fritz ist unter schutzvorgewalt@segelverband-bw.de zu erreichen.
Was gibt es über Sie persönlich zu wissen?
Na gut, ich plaudere mal ein bisschen aus dem Nähkästchen. Ich bin 58 Jahre alt und lebe seit 21 Jahren in Überlingen am Bodensee – kurz: Ich habe den Süden erobert! Geboren und aufgewachsen bin ich in Niedersachsen, südlich von Hannover. Ja, genau, die Gegend, wo man Tee mit Kluntjes trinkt und das Wetter öfter grau als blau ist und wo es richtig viel Wind hat. Meine Sommerferien habe ich auf den nordfriesischen Inseln oder an der Ostsee verbracht. Nach meinem Studium der Sportwissenschaften in Mainz und Köln habe ich mich Stück für Stück weiter gen Süden vorgearbeitet.
Und wie kamen Sie zum Segeln?
Das war ehrlich gesagt keine klassische Geschichte von „die Eltern inspirieren die Kinder“. Bei uns lief das genau andersherum. Meine älteste Tochter Charlotta hat mich nämlich aufs Wasser geholt. Sie war acht Jahre alt, als sie im Optimist beim SMCÜ loslegte. Anfangs war ich wohl die einzige Mutter, die keine Ahnung hatte, wie ein Optimist aufgebaut wurde . und dann? Zack, mit 14 war sie schon im 420er unterwegs und segelt bis heute im J70-Bundesliga-Team vom SMCÜ mit.
Während Charlotta durch die Segelreviere von der Ostsee bis nach Slowenien flitzte, war ich die klassische „Mama mit Seesack am Ufer sitzend“. Dabei habe ich auch festgestellt: Segeln könnte mir ja auch Spaß machen! Also dachte ich mir: Warum nicht selbst mal das Ruder übernehmen? Erst kam der Motorbootführerschein – ich wollte ja beim Kinder- und Jugendsegeln auch auf dem Wasser unterstützend dabei sein. Und weil ich dann schon im Fahrwasser war, habe ich gleich noch das Bodenseepatent draufgelegt. Jetzt liebe ich es, die Segel zu setzen, die frische Brise im Gesicht zu spüren. Das ist wie ein kleiner Kurzurlaub. Wenn ich schon so nah am Wasser wohne, bietet sich das ja an. So bin ich aktuell bei der SGÜ und bei den Seglerinnen.de aktiv.
Inwiefern hat Ihre Segelleidenschaft einen Einfluss auf Ihre neue Tätigkeit als Präventionsbeauftragte beim Segelverband BW gehabt?
Gaby Kromer-Schaal, die Vorsitzenden des SVBW, hatte mich gefragt, ob mir vorstellen könnte, als Präventionsbeauftragte tätig zu sein. So nahm alles seinen Lauf. Die Arbeit als Präventionsbeauftragte für den Segelverband Baden-Württemberg ist für mich eine Herzensangelegenheit. Durch die langjährige Begleitung meiner Tochter im Segelsport, meinem Sohn beim Fußball, meiner jüngsten Tochter beim Rudern und auch durch meine berufliche Tätigkeit als Lehrerin habe ich erlebt, welche positive Wirkung Sport auf Kinder und Jugendliche hat. Gleichzeitig wurde mir aber auch bewusst, dass das Vereinsleben und der (Leistungs-)Sport neben vielen Chancen auch Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere im Bereich der Präventionsmaßnahmen. Da müssen noch ein paar Lücken geschlossen werden.
Der Wunsch, einen sicheren und unterstützenden Rahmen für junge Seglerinnen und Segler zu schaffen, hat mich dazu motiviert, mich intensiver mit den Themen Schutz vor Gewalt und Missbrauch, Förderung der sozialen Kompetenz und der Entwicklung einer gesunden Vereins- und Teamkultur auseinanderzusetzen. Als Diplomsportlehrerin war es für mich naheliegend, mein Wissen in diesem Bereich miteinzubringen.
In meiner Funktion als Präventionsbeauftragte möchte ich dazu beitragen, ein Bewusstsein für dieses wichtige Themen zu schaffen und Vereine dabei zu unterstützen, den Blick zu schärfen und innerhalb der Vereine die Bewusstheit für präventive Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Welche Rolle spielt ein geeignetes Schutzkonzept in der Vereinsarbeit?
Sexueller Missbrauch von Minderjährigen ist kein Zufall, sondern eine geplante Tat.
Daher braucht auch die Prävention einen klaren und strukturierten Plan: ein Schutzkonzept, das Tätern und Täterinnen keinen Raum für Missbrauch bietet.
Der Segelverband BW möchte ein wirksames und leicht umsetzbares Schutzkonzept auf den Weg bringen, dass sich jeder Verein „auf seine Bedürfnisse anpassen“ kann. Es umfasst verschiedene Bausteine:
- Fortbildungen für alle Fachkräfte (zB Trainer*innen), um Wissen zu vermitteln und Sensibilität zu schaffen.
- Einrichtungsspezifische Handlungs- und Notfallpläne, die klare Abläufe im Verdachtsfall regeln.
- Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche, um sie zu stärken und auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen.
- Informationen für Eltern und Erziehungsberechtigte, damit auch sie in der Lage sind, Warnsignale zu erkennen und frühzeitig zu handeln.
Jede Institution, die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet – ob in Schule, Sportverein oder Jugendeinrichtung – sollte sich intensiv mit einem passenden Präventionsschutzkonzept auseinandersetzen. Sexuelle Gewalt ist eine reale Bedrohung. Sie kann jederzeit und überall auftreten. Oft sind es jedoch nicht nur Fremde, die auf Schulhöfen lauern, Kinder auf dem Heimweg ansprechen oder im Verein übergriffig werden. Die Mehrheit der Übergriffe geschieht im unmittelbaren Umfeld der Kinder – in der Familie, in der Nachbarschaft oder bei Freizeitaktivitäten. Die Täter sind häufig Personen, die das Vertrauen der Kinder bereits gewonnen haben.
Gerade deshalb ist Prävention entscheidend: Kinder und Jugendliche müssen in einem geschützten und sicheren Umfeld aufwachsen können, in dem Grenzverletzungen frühzeitig erkannt und konsequent verhindert werden. Es gilt hier den Blick dafür zu schärfen und das Bewusstsein dafür zu schaffen. Kinder können sich nicht alleine schützen. Darum ist es unsere Pflicht als Erwachsene dafür zu sorgen. Ein gut durchdachtes Schutzkonzept kann hier den entscheidenden Unterschied machen.
Wie wird der Segelverband BW weiter vorgehen, um dieses Konzept in die Vereine zu bringen?
Startschuss war die Interboot in diesem Jahr. Dort haben wir das Schutzkonzept erstmals vorgestellt. So ein Konzept ist Teamarbeit. Gemeinsam mit Erik Sander, dem Vorstand für Freizeit und Fahrtensegeln, und Laura Ströer, der Obfrau der Segeljugend, haben wir das Schutzkonzept präsentiert. Im Vorfeld gingen Einladungen zu dieser Veranstaltung an alle Segelvereine Baden-Württembergs heraus.
Der nächste Termin ist Donnerstag, der 19.12.2024. Beim “Kompetenzbänkle“ vom Segelverband BW werden wir mit Florian Meyer vom Badischen Sportbund Freiburg eine Onlineveranstaltung zu diesem Thema anbieten.
Unser Ziel ist es, den Segelsport nicht nur auf, sondern auch neben dem Wasser sicher und fair zu gestalten. Weiterhin möchten wir dafür sorgen, dass jeder Verein in BW mit einem individuellen Schutzkonzept ausgestattet ist. Das wäre großartig. JedesPpaar Augen, das zusätzlich schützend auf unsere Kinder und Jugendlichen schaut, bedeutet: weniger Chancen für Täter!