Vom 26. Juli bis zum 11. August finden in Paris die Olympischen Spiele statt, die Segelwettbewerbe werden in Marseille ausgetragen. Dazu wurden drei deutsche Wettfahrtoffizielle eingeladen. Mit Fabian Bach und Heiko Falch zwei vom Bodensee. Im Interview erzählen sie, wie sie dieses Ziel erreicht haben.
Heiko, wie kamst Du als Segler auf die Idee, Wasserschiedsrichter zu werden?
Ich war schon für den Yacht-Club Langenargen gelegentlich als Schiedsrichter aktiv. 2008 rief mich ein Vereinskamerad an und fragte, ob ich kurzfristig beim Match Race Germany als Schiedsrichter einspringen könnte. Ich sagte zu und wurde zu John Doerr aufs Schlauchboot gesetzt. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht wer er war. Danach stellte sich heraus, dass er im selben Jahr als Chief Umpire bei den Olympischen Spielen in Peking/Quingdao im Einsatz war. Die Arbeit mit ihm hat mich vom ersten Tag an fasziniert und nachdem ich am letzten Tag bei den Finalläufen als Beobachter bei ihm auf dem Boot bleiben durfte, stand für mich fest: Ich will Umpire werden.
Was unterscheidet denn einen Schiedsrichter von einem Wasserschiedsrichter, dem Umpire?
Heiko: Umpire kommen beim Match Race oder bei Medal Races zum Einsatz. Im Gegensatz zu Schiedsrichtern verhängen sie die Strafe nicht im Anschluss an eine Wettfahrt nach einer Verhandlung, sondern noch während des Rennens direkt auf dem Wasser.
Ein Schlauchboot ist mit zwei Umpires besetzt. Jeder der beiden ist für ein Boot zuständig und kommentiert dessen regeltechnisch relevante Manöver. So kommt zwischen den beiden ein Dialog zustande, als würden sie sich Bälle zuspielen. Kommt es zum Regelverstoß, ist der Ablauf nachvollziehbar.
Wie ging es nach diesem Schlüsselerlebnis beim Match Race bei Dir weiter?
Damals wurde noch viel Match Race gesegelt. Ich habe Leute kontaktiert und versucht mitzumachen. Dabei habe ich zwar die eine oder andere Absage kassiert, konnte aber auf nationaler Ebene viele Erfahrungen sammeln. Daraufhin habe ich die nationale Schiedsrichter-Lizenz gemacht. Internationale Kollegen rieten mir dann ein paar Jahre später, die internationale Lizenz zu machen. Ich habe dann zunehmend bei hochkarätigen Match Races und internationalen Fleet-Race-Events mitgewirkt, Seminare besucht und wurde 2016 zum International Umpire und zwei Jahre später zum Internationalen Schiedsrichter ernannt.
Fabian, Du hast ja schon eine Menge Erfahrung als Wettfahrtleiter.
Vor vielen Jahren wurde Jürgen Graf vom Segelverband Baden-Württemberg auf mich aufmerksam. Er vermittelte mich 2009 ins Wettfahrtleiterteam der Int. Deutschen Jugendmeisterschaften aller Bootsklassen in Travemünde. Dort wurde ich vom damaligen Bahnwettfahrtleiter Peter Ramcke an die Hand genommen, der bereits 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking dabei war. 2012 wurde ich sein Stellvertreter in Kiel und durfte ihn im selben Jahr tageweise beim Sailing World Cup in Kiel, einer Qualifikationsregatta für die Olympischen Spiele, vertreten. Seit 2012 habe ich die internationale Lizenz, bilde seit 2017 für World Sailing internationale Wettfahrtleiter aus und wurde 2018 Chef-Wettfahrtleiter der Kieler Woche.
Paris sind ja nicht Eure ersten Olympischen Spiele.
Heiko: Schon zwei Jahre nach meiner Ernennung zum internationalen Schiedsrichter bin ich für die Spiele in Tokio berufen worden. 2021 bekam ich dort die Position des stellvertretenden Chef-Wasserschiedsrichter. Mein Chef, also Chief Umpire, war eine Engländerin. Wir waren ein gutes Team und haben meiner Meinung nach gute Arbeit geleistet.
Fabian: Ich war 2016 in Rio dabei und bei den olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires.
Für die Teilnahme an den Spielen kann man sich ja nicht bewerben. Wie schafft man es, berufen zu werden?
Heiko: Ich habe es geschafft, zu Regatten auf höchstem Niveau als internationaler Schiedsrichter eingeladen zu werden und habe mich so in der Szene etabliert. Wichtig ist, dass die Entscheidungsträger bei World Sailing deine Leistung bei diesen Events sehen können. Als ich zu beiden Qualifikationsregatten nach den Haag und Hyère als Chief Umpire eingeladen wurde, konnte ich bereits ahnen, dass ich in der Liste ziemlich weit oben stehe.
Fabian: Bei diesen Regatten qualifizieren sich nicht nur die Segler für Olympia, sie sind auch Testveranstaltungen für die Wettfahrtoffiziellen. Auch ich wurde für beide Veranstaltungen eingeladen, konnte aber nur in Den Haag teilnehmen.
Grundsätzlich muss man einfach gut sein, in dem was man tut und positiv auffallen. Hilfreich sind, wie in unserem Fall, auch Mentoren, die einen an die Hand nehmen. Aber einen vorgeschriebenen Weg gibt es nicht. Weltweit gibt es 250 Wettfahrtleiter mit einer internationalen Lizenz. Die Chance, ausgewählt zu werden, ist dementsprechend gering.
Zudem gibt es abseits deiner Leistung und deiner Qualifikation viele Faktoren, die außerhalb deines Einflussbereichs liegen. Das kann die kontinentale Zusammensetzung sein oder die Geschlechtergerechtigkeit. World Sailing schreibt einen Frauenanteil von 50 Prozent vor.
Ich war zum Beispiel bei den Testregatten für Tokio dabei, wurde aber trotzdem nicht für die Spiele nominiert. Ohne Begründung. Ich war natürlich enttäuscht. Als ich dann kurzfristig, Anfang 2021, mitten in der Coronapandemie, nachnominiert werden sollte, war mir eine Teilnahme organisatorisch leider nicht mehr möglich.
Heiko: Sicher ist man deshalb erst, wenn man die schriftliche Einladung im E-Mail-Postfach findet.
Wie bereitet ihr Euch jetzt auf den Einsatz vor?
Heiko: Nächste Woche fliege ich zu einer ILCA-Weltmeisterschaft, dann folgen eine weitere WM und eine Europameisterschaft. Zum Schluss die letzte Qualifikation in Hyère. Mit diesen Top-Level-Events ist dann auch mein Jahresurlaub verbraucht. Auch mental muss man sich vorbereiten. Man hat das höchste Ziel erreicht und die Leistung, die man abliefern muss, ist immens. Damals nach Tokio war ich komplett erschöpft und fiel in ein tiefes Loch.
Fabian: Wir haben bereits damit begonnen, Dokumente, wie zum Beispiel Segelanweisungen, zu erstellen. Wir besprechen uns dabei in Videokonferenzen. Dabei komme ich auch mit den französischen Teams in Kontakt, um sie kennen zu lernen.
Wie muss man sich Euren Einsatz bei Olympia vorstellen?
Fabian: Wir Wettfahrtleiter von World Sailing kommen zusätzlich zu den lokalen Teams zum Einsatz und stellen sicher, dass die olympischen Standards eingehalten werden. Wir kommunizieren deshalb nicht direkt mit den Bahnmarkenlegern, sondern immer über den lokalen Wettfahrtleiter. Pro Bahn sind wir zu dritt. Einer auf dem Startschiff, einer am Pinend und einer am Ziel. Ich werde auf der Bahn der 49er FX und der 470er auf einer der drei Positionen sein.
Auf jeden Fall ist es ein Fulltime-Job, für den man nur Anreise, Unterkunft und Verpflegung bezahlt bekommt. Freie Tage werde ich nicht haben. Und da die Segelwettbewerbe in Marseille stattfinden, auch keine Gelegenheit, bei anderen Sportarten zuzuschauen.
Heiko: Den Seglern und Surfern fahren die Umpires mit dem Schlauchboot nach. Pro Klasse sind fünf Schlauchboote mit je zwei Umpires im Einsatz. Dabei versuchen wir, immer einen erfahrenen Wasserschiedsrichter, mit einem, der sich mit der jeweiligen Klasse sehr gut auskennt, in ein Boot zu setzen. Das funktioniert bei den Kitern nicht. Die werden von Drohnen begleitet, deren Aufnahmen wir vom Container aus beobachten und auswerten. Die müssen bei einem Verstoß nicht kringeln, sondern werden mit einer Punktestrafe belegt.
Wann geht’s bei Euch los?
Fabian: Ich reise am 25. Juli an, da ein paar Dinge im Vorfeld besprochen werden müssen, und fahre am 10. August zurück.
Heiko: ich werde zwei Tage vor Beginn dort sein und reise auch am Tag vor der Abschlussfeier wieder nachhause.
Wie werdet ihr in Marseille untergebracht?
Fabian: Vermutlich vor allem weit weg von den Seglern!
Warum denn das?
Fabian: Wettfahrtoffizielle dürfen keine Interessenkonflikte haben. Das heißt beispielsweise keine direkte Beziehung zu einem Teilnehmer haben oder in einer finanziellen oder beruflichen Abhängigkeit zu diesen zu stehen. Als ich Mitte Oktober meine Einladung von World Sailing bekam, musste ich nicht nur zügig zusagen, sondern auch angeben, ob ich solche Interessenskonflikte habe. Als Inhaber einer internationalen Lizenz bin ich aber ohnehin gehalten diese immer zu aktualisieren.
Heiko: Ich bin beispielsweise mit dem Vater einer Teilnehmerin einer Qualifikationsregatta gesegelt und habe das gemeldet. World Sailing geprüft daraufhin, ob ein relevanter Interessenkonflikt besteht. Sollte dies der Fall sein, wird geklärt, wie schwer der Konflikt wiegt. Davon abhängig wird man in einer anderen Klasse oder gar nicht eingesetzt. Einen solchen schwerwiegenden Conflict of Interest hatte ich bisher nicht.
Seid ihr aufgeregt?
Fabian: Ich weiß, worum es geht, kenne die Abläufe und Prozesse und bin deshalb nicht mehr so aufgeregt wie beim ersten Mal. Aber ich weiß, dass nichts schiefgehen darf und das macht mich trotz meiner Routine ein bisschen nervös.
Fragen: Anette Bengelsdorf
Fotos: Christian Beeck und World Sailing